Sieben Jahre lang waren wir für die Redaktion des Kundenmagazins der Bank Sal. Oppenheim verantwortlich. Das Heft sah stets atemberaubend aus (Dank des Art Directors Bernd Vollmöller, der uns bei jeder Produktion aufs Neue mit seinen Ideen für die Optik verblüffte). Doch auch die Texte waren das Ergebnis eines ausgesprochen aufwändigen Produktionsprozesses.
Wir haben hier die wichtigsten Schritte und Zwischenschritte auf dem Weg zu einem fertigen Magazintext nachgezeichnet – in diesem Fall geht es um den Artikel zum Thema „Corporate Identity“ im letzten Heft (einer von insgesamt neun oder zehn Texten pro Magazin-Produktion). Eine Lese-Empfehlung für alle, die immer noch meinen, „das bisschen Text macht sich doch fast von allein“. Oder die glauben, klassischer Journalismus sei per se anspruchsvoller als Corporate Publishing.
07. August 2017 – Tag 1: Das Thema des Heftes steht.
Nachdem wir uns in der Ausgabe 1/2017 mit Aspekten rund um das Thema „HABEN“ beschäftigen durften, ist jetzt das „SEIN“ an der Reihe. Wir berufen eine Redaktionskonferenz ein und starten ein Brainstorming – welche Themen können wir uns für die Ressorts Ökonomie, Gesellschaft und Kultur vorstellen?
11. August 2017 – Tag 4: Der Themenplan steht weitgehend.
Nach der Abstimmung mit dem Kunden steht nun fest, welche Themen es ins Magazin schaffen. Eines der Themen in der Rubrik Ökonomie ist „Corporate Identity“. Die Kommunikationsverantwortlichen von Sal. Oppenheim fanden unseren Vorschlag gut. Unsere Aufgabe für die nächsten Wochen lautet nun: ins Thema einlesen und ein Exposé schreiben.
30. August 2017- Tag 23: Erstes Feedback, neuer Dreh.
Wir wollten Unternehmen als Personen beschreiben. An sich ok – dennoch zeigt sich in den Diskussionen mit den Kollegen intern und mit dem Kunden, dass wir die Metapher besser nicht zu sehr strapazieren. Der Text soll weniger abstrakt und praxisnäher sein. Leitfrage: Wie wichtig ist der Charakter eines Unternehmens für dessen Erfolg?
6. September 2017 – Tag 30: Die Telefonrecherche beginnt.
Es hat ein paar Stunden gedauert, durchzuarbeiten, was wir vorher im Archiv und Online zum Thema herausgesucht und bisher nur überflogen hatten. Nun setzen wir uns mit unseren Wunsch-Ansprechpartnern in Verbindung, machen Telefontermine aus und mailen Fragenkataloge. Jetzt fängt der spannendste Teil an: Die Interviews.
21. September 2017 – Tag 45: Die Erstfassung ist fertig.
Alle Interviews sind im Kasten, der rote Faden für die Geschichte ist entworfen, die Geschichte geschrieben. Dieses reine Schreiben kann durchaus ein bis zwei Werktage dauern. Bei anspruchsvollen Produktionen wie dem Oppenheim-Magazin ist es dennoch normal, dass die Arbeit am Thema erst jetzt richtig anfängt.
11. Oktober 2017 – Tag 65: Wir diskutieren einen anderen Ansatz.
Nachdem mehrere Kollegen den Text gelesen haben, wird klar: Die Idee, Unternehmen zu finden, die trotz guter Unternehmenskultur und klarer Identität am Markt scheitern, hat nicht funktioniert. Auch die „Identitätskrise“ der Rügenwalder Mühle (von der Fleischfabrik zum Hersteller veganer Wurst) kommt nicht richtig rüber. Also: Auf in die nächste Runde.
16. Oktober 2017 – Tag 70: Eine ganz neue Storyline.
Nun lautet der Plan, mit einem Forscher aus Manchester in den Text einzusteigen, der einen „Persönlichkeitstest“ für Unternehmen entwickelt hat. Dem stellen wir einen Trendforscher gegenüber, der meint: Kunden definieren sich selbst über die Marken, die sie kaufen. Wir sind gespannt, ob das besser funktioniert!
19. Oktober 2017 – Tag 73: Mehr Beispiele müssen her.
Wir sind jetzt auf dem richtigen Weg. Die neue Leitidee „Das Unternehmen als Freund“ kristallisiert sich heraus. Dafür sind die beiden Identitätsforscher genau die richtigen. Was noch fehlt, sind gute Beispiele. Wir schlagen Markenfans vor, die sich die Logos ihrer Lieblingsunternehmen tätowieren lassen: Wie Harley Davidson, Nike oder VW.
23. Oktober 2017 – Tag 77: Der Einstieg kriegt den letzten Schliff.
Die Markentattoos erweisen sich als zu speziell, um damit in den Text zu starten. Wir disponieren um: Die Tätowierungen kommen weiter hinten im Artikel, für den Einstieg nehmen wir die Marke Thermomix. Denn das Küchengerät hat – wie das iPhone – glühende Fans. Und das geht weit über die reine Funktionalität hinaus.
6. November 2017 – Tag 91: Wir sind auf der Zielgeraden.
Der Text ist fertig. Bis auf winzige Änderungen haben wir es. Der Thermomix-Einstieg zieht unsere Testleser in den Text hinein. Die Überleitung zur Theorie von „Corporate Identity“ und „Corporate Character“ funktioniert. Und auch die Tattoos haben ihren Platz gefunden.
10. November 2017 – Tag 95: Die Zitate sind freigegeben.
Wenn unsere Ansprechpartner es wünschen (und das ist bei Corporate Publishing fast immer der Fall), stimmen wir ihre Zitate, die wir im Text benutzen, vor der Veröffentlichung mit ihnen ab. Auch das dauert ein paar Tage. Diesmal geben die Interviewpartner so gut wie alles frei.
17. November 2017 – Tag 102: Der Text ist im Layout.
Der Text passt fast genau ins Layout – hier zahlt sich die genaue Absprache mit dem Art Director aus. Weil wir uns Wochen zuvor geeinigt hatten, wie lang Vorspann, Lauftext und herausgehobene Zitate sein sollten, konnte er mit Blindtext am Layout arbeiten, während wir noch um jede Formulierung gerungen haben.
30. November 2017 – Tag 115: Das Heft geht in die Druckerei.
Nachdem auch Bildunterschriften, Zwischentitel und Erklärkästen getextet sind, nachdem das Heft durchs Lektorat gegangen, die Bilder und Grafiken reingezeichnet sind, geht heute das vom Kunden freigegebene Druck-PDF an die Druckerei. Geschafft!