Seit inzwischen eineinhalb Jahren hat wortwert ein Büro in London. In dieser Zeit ist viel passiert: Wir haben für mehrere Kunden Geschichten aus London und anderen Teilen Englands gemacht. Wir haben Kunden gewonnen, zu deren Londoner Büros ich teilweise nur 15 Minuten mit dem Fahrrad brauche. Auch alltägliche Dinge haben sich eingespielt: So finde ich den Weg zum Flughafen Stansted inzwischen auch Montagmorgens im Halbschlaf. Und ich kann heute spontan sagen, wie spät es in der jeweils anderen Stadt ist. Das war am Anfang oft anders – auch wenn der Unterschied nur eine Stunde beträgt.
Andere Dinge sind auch nach eineinhalb Jahren mitunter noch schwierig. Dazu gehört vor allem die Kommunikation. Wenn ich nicht in der Kölner Redaktion bin, sondern – so wie die meiste Zeit – an meinem Schreibtisch im wortwert-Büro im Londoner Stadtteil Dalston arbeite, läuft die Kommunikation über Email und Telefon. Das hat Vorteile: In London kann ich oft deutlich konzentrierter arbeiten als im Großraumbüro in Köln. Aber es hat auch allerlei Nachteile: Ich bin bei unserer Montags-Teambesprechung oft nur per Telefon zugeschaltet. Ich bekomme viel weniger vom Kölner Flurfunk mit, habe weniger feine Antennen für die Stimmung, die am Hansaring herrscht. Vieles von dem, was ich mitteilen will, kommt ganz anders an als beabsichtigt. Und die Wochen, die ich in Köln verbringe, sind vollgestopft mit Terminen und Besprechungen.
Wir haben zwar in den vergangenen Jahren eine Menge neue Technik eingeführt, die das Kommunizieren aus der Ferne erleichtert. Zum Beispiel eine IP-Telefonanlage, ein Konferenztelefon im Besprechungsraum in Köln, ein unternehmensinternes Social Network und ein wortwert-Wiki.
Aber ich weiß inzwischen besser als je zuvor: Technik allein kann die Nachteile nicht kompensieren, die die Zusammenarbeit über große Distanzen hinweg hat. Sie kann lediglich helfen, trotzdem gut zusammenzuarbeiten. Allerdings nur, wenn man laufend an seinem Verhalten arbeitet und reflektiert, was man tut. Dabei gelten im Verhältnis zu Mitarbeitern und Kollegen im Prinzip die gleichen Grundsätze wie im Verhältnis zu Kunden, die in einer anderen Stadt sitzen. Es ist keine gute Idee, allzu viel per Email zu kommunizieren, denn dadurch steigt die gefühlte Distanz. Bei jeder Gelegenheit sollte man miteinander sprechen – auch wenn es in der Alltagshektik oft eine Überwindung ist anzurufen statt schnell zu schreiben. Besonders wenn es um schwierige Themen oder um Kritik geht, sollte man diesen Grundsatz beherzigen. Und: Beziehungen zu pflegen, kostet Zeit. Die muss sich man umso mehr nehmen, je öfter man anderswo arbeitet.
Zugegeben: Das klappt mal besser und mal schlechter. Aber ich weiß, dass nicht nur ich die Herausforderungen kenne, die das Arbeiten auf Distanz mit sich bringt. Sondern auch meine beiden Geschäftspartner und unsere Redakteure. Marvin Milatz zum Beispiel, der uns gerade in Richtung Neue Zürcher Zeitung verlassen hat, arbeitete zuvor regelmäßig wochenweise in seinem Hamburger Home-Office. Mehrere andere Redakteure arbeiten ebenfalls immer wieder tageweise von zu Hause aus. Umso schöner ist es, wenn dann mal die komplette wortwert-Truppe an einem Montag in der Kölner Redaktion versammelt ist. Das Konferenztelefon brauchen wir in diesen seltenen Fällen nicht. Wir machen dann eine Stehkonferenz mitten im Großraumbüro.
Christoph Hus, wortwert | die wirtschaftsredaktion