Viele ehemalige wortwert-Mitarbeiter haben heute anderswo spannende Jobs in der Medienbranche. Im April haben wir mit Sabine Reifenberger über ihre Arbeit als Chef vom Dienst beim Magazin FINANCE gesprochen. Nun folgt Teil 2 der Ehemaligen-Serie: Ein Gespräch mit unserem ehemaligen Volontär und Redakteur Marvin Milatz, der im vergangenen Jahr von wortwert zur Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) gewechselt ist.
Marvin, wie war dein Start in Zürich?
Sehr spannend. Ich habe bei der NZZ zunächst ein halbes Jahr als Datenjournalist im Storytelling-Team gearbeitet. In diesem Bereich ist die NZZ ein Vorreiter. Dann bin ich ins Social-Media-Team gewechselt, wo ich zunächst vor allem Wochenenddienste gemacht habe. Nebenbei habe ich weiter auch für das alte Team gearbeitet. Seit dem Jahresbeginn bin ich nun komplett im Social-Media-Team. Die Arbeit dort ist sehr abwechslungsreich. Wir machen viel mehr als nur Artikel bei Facebook und Twitter zu posten, auf Leser-Kommentare zu reagieren und Hass-Kommentare auszublenden. Zum Beispiel haben wir kürzlich das neue Format „Leserdebatte“ gestartet: Jeden Tag wählen wir drei Themen aus, über die unsere Leser debattieren können. Wir moderieren diese Diskussionen. Auf diesem Weg wollen wir Leser noch näher an die NZZ binden und eine Community aufbauen.
Wie unterscheidet sich deine Arbeit in Zürich von der bei wortwert?
Ich mache jetzt zu 100 Prozent Online und gar kein Print mehr, das ist der größte Unterschied. Außerdem bin ich oft sowohl Empfänger als auch Absender von Nachrichten: Ich interagiere bei Facebook und Twitter mit Lesern, habe die Nachrichtenlage im Auge und wähle Breaking News für die Online-Kanäle aus. Vieles davon geschieht im Hintergrund, mein Name ist dadurch weniger präsent als früher bei wortwert. Auch weil ich deutlich weniger schreibe.
Profitierst du trotzdem von den Erfahrungen, die du bei wortwert gesammelt hast?
Oh ja, ich profitiere sowohl von der Volontärsausbildung als auch von der Zeit als Redakteur bei wortwert. Ich habe dort Routine im Schreiben entwickelt, die mir heute zugutekommt. Weil ich das Schreibhandwerk beherrsche, habe ich genug Zeit mir Gedanken zu machen, was ich eigentlich sagen will. Das ist im Online-Geschäft ungeheuer hilfreich, zum Beispiel bei unseren Leserdebatten. Und auch die Magazin-Denke, die man bei wortwert lernt, hilft mir heute. Durch diese Erfahrung fällt es mir leicht, Ideen zu entwickeln, wie man Themen spannend und ungewöhnlich aufbereiten kann.
Was magst du an deinem neuen Job?
Vor allem die Tatsache, dass ich mit so vielen unterschiedlichen Menschen interagiere. Mit vielen Lesern, mit Kollegen aus anderen NZZ-Ressorts und aus dem Newsroom, aber auch mit Programmierern und Kollegen, die unsere Klickzahlen im Auge behalten. Da fällt es mir kaum auf, dass ich viel weniger Interviews führe als in meiner Zeit bei wortwert.
Bei wortwert hast du fast ausschließlich an Wirtschaftsthemen gearbeitet. Welchen Anteil haben sie an deiner neuen Arbeit?
Nur einen sehr kleinen. Dennoch bezeichne ich mich immer noch als Wirtschaftsjournalist. Denn die Angewohnheit, Themen durch die Wirtschaftsbrille zu betrachten, habe ich nicht abgelegt. Wenn es um politische Themen geht, stelle ich mir zum Beispiel oft die Frage, welche wirtschaftlichen Implikationen es gibt. Und wenn wir eine Leserdebatte zu einem Wirtschaftsthema machen, brauche ich nicht viel Zeit, um mich einzuarbeiten.
Wie lebt es sich in Zürich im Vergleich zu Köln?
Zürich ist deutlich kleiner und beschaulicher als Köln, es hat nur 400.000 Einwohner. Trotzdem lässt es sich hier gut leben. Vor allem im Sommer ist die Stadt paradiesisch, weil es hier so viele Seen und Flüsse gibt und man sehr gut wandern kann. Allerdings sind viele Menschen hier zugeknöpfter als in Köln – und sie geben sich deutlich vornehmer. Daran muss man sich erst gewöhnen.